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LEBENSGEFAHR IN ÄTHIOPIEN – GESTRANDET



(Auszug aus Ernst Tanners Buch «Dem Tod entronnen – immer wieder»)


Nach langer Dürre im Jahr 1975 wurde der Süden Äthiopiens von schweren Überschwemmungen heimgesucht. Der Fluss Wabi Shebele trat über die Ufer und erreichte eine Breite von bis zu siebzehn Kilometer. In jener Zeit schickte das kommunistische Regime Studenten zur Zwangsarbeit in alle Teile des Landes. Hundertfünfzig junge Leute waren am südlichen Ufer des Flusses bei Kelafo stationiert und durch die Überschwemmung während Tagen von der Versorgung abgeschnitten.


Die Regierung bat mich durch General Mobratu, die Studenten zu evakuieren. Unser Helikopter war das einzige private Fluggerät, das die kommunistische Regierung gewähren liess. Damit konnte ich schon mehrere andere Rettungsaktionen durchführen.


Mein Helfer Georg und ich machten uns sogleich an die Vorbereitungen. Wir bauten den Zusatztank ein, doch durch ein Missverständnis füllten wir ihn nur zur Hälfte. Diesen verhängnisvollen Fehler bemerkte ich erst in der Luft. Trotzdem hoffte ich, den Flugplatz Gode in der Nähe von Kelafo zu erreichen. Zu allem Unglück hatten die Kartographen auf meiner Michelin-Strassenkarte die Namen der beiden Ortschaften Gode und Kelafo verwechselt. Ich hatte mit einer Flugzeit von drei Stunden gerechnet. Als wir nach ungefähr dreieinhalb Stunden weit und breit keinen Flugplatz entdeckten, befürchtete ich, dass wir Gode verpasst hätten und uns schon der somalischen Grenze näherten. So landete ich in einem Dörfchen, um mich zu erkundigen. Die Menschen waren abgemagert. Verendete Tiere überall. Ich fragte nach Gode. Die Leute zeigten in die Richtung, aus der wir gekommen waren, und erklärten: «Kelafo.» Kelafo war die Missionsstation, Gode aber war der Flugplatz. Beide Orte hatten wir nicht gesehen und mussten also zurückfliegen.


Ich fand den Flusslauf und folgte ihm am nördlichen Ufer. Mit schwerem Herzen und kaum noch zehn Gallonen im Tank startete ich nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Da entdeckte ich ein grosses Feld auf einem Plateau neben dem Fluss und vermutete den Flugplatz Gode. Doch beim Näherkommen sah ich mit Schrecken, dass der riesengrosse Platz mit ebenso grosser Landepiste völlig verlassen war. Mein Treibstoff war zu Ende und ich landete mitten auf dem verlassenen Areal einer Ölsuchfirma, wo einst Häuser und wahrscheinlich Hangars gestanden hatten. Da waren wir nun gestrandet und hatten keine Ahnung, wie weit wir von Gode entfernt waren. In Wirklichkeit lag Gode noch westlicher als Kelafo.


Wir sammelten schnell Holz im nahen Urwald, um ein Lagerfeuer anzuzünden, bevor die Dunkelheit hereinbrach. Nur so konnten wir uns vor wilden Tieren schützen und uns in der Nacht aus dem Helikopter wagen. Wir wechselten uns mit Schlafen und Feuerdienst ab. Funkkontakt hatten wir schon längst keinen mehr. Wir müssten jedoch, gemäss unserer Karte, den Flugplatz Gode zu Fuss erreichen können.


Am nächsten Morgen kletterte Georg auf einen Baum, um in die Ferne zu sehen. Da war jedoch nichts zu entdecken. So nahmen wir unsere Pyjamas, Kameras und den Wasserfilter und machten uns auf den Weg. Zuvor legte ich meine Hände auf den Helikopter und befahl ihn Gottes Schutz an.

(Fortsetzung folgt)





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