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Motorpanne über dem Meer

(Auszug aus Ernst Tanners Buch «Dem Tod entronnen – immer wieder»)


Unterwegs auf einem meiner ersten Flüge von Afrika zurück in die Schweiz anfangs der 70er Jahre: Glücklich flog ich Italiens Küste entlang Richtung Norden nach Genua.Am Militärhafen La Spezia musste ich mit sieben Meilen Abstand vorbei fliegen. Genau dort draussen, über dem weiten Meer, fing der Motor plötzlich an zu stottern.



Wo landen? Auf dem Wasser? Gab es irgendwo ein Schiff? Der Motor stotterte weiter. Ach, wenn er doch wieder brummen würde! «Vater im Himmel, hörst du den Motor? Sende einen deiner Engel, um meine Maschine zu halten! Du siehst, sie will abstürzen!» Jeder für sich betete inbrünstig um Hilfe.


Das Stottern hörte nicht auf. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Ich spürte auch einen deutlichen Leistungsabfall des Motors.


Ich funkte nach Genua und meldete «technische Panne über Wasser». Die Küste war steil und bewohnt. Eine Landung war ausgeschlossen. Mit angehaltenem Atem stotterten wir weiter gegen Genua zu. Der Fluglotse hielt den Flugverkehr an und erlaubte mir einen Direktanflug. Immer wieder fragte er mich, wie es gehe. Endlich tauchte Genua in der Ferne auf. Würde es die Maschine schaffen? Wir zählten die Sekunden. Sie schaffte es! Ich weinte vor Erleichterung und Dankbarkeit. Wir hatten einmal mehr überlebt!


Mit vor Aufregung zitternden Fingern kontrollierte ich den Motor und fand zwei der sechs Zündkerzen völlig zugeschmolzen. Die übrigen waren auch beinahe so weit. Offensichtlich hätte der Motor in den nächsten Minuten versagt, und wir wären ins Meer gestürzt.

Nun verstand ich, was die Ursache unseres Missgeschicks war: In der Wüste hatten wir Flugbenzin mit einer Oktanzahl von hundert bis hundertundzwanzig getankt, was wohl auch erlaubt wäre für unseren Motor, aber vielleicht nicht bei diesen Temperaturen. Unser normaler Treibstoff mit achtzig bis hundert Oktan war dagegen nicht erhältlich gewesen.

Mit neuen Zündkerzen und neuem Mut starteten wir zur zweitletzten Etappe von Genua nach Samedan und schließlich zur letzten Strecke nach Trogen.


Erst durch die ausführliche Kontrolle in Belp bei der Heliswiss erfuhr ich, an welch dünnem Faden unser Leben während dieses letzten Teilstücks der Reise gehangen hatte. Am Telefon erklärte mir der Mechaniker: «Herr Tanner, Sie hatten wohl mehr als einen Schutzengel an Bord, denn das Drahtseil der Steuerung des Heckrotors hielt sage und schreibe nur noch an zwei dünnen Litzen.» Ich sah das zerzauste Stück, das von den Pedalen unter der Kabine über schmale Kunststoffrädchen zum Heckrotor führte. Feiner Sand klebte am öligen Drahtseil und scheuerte daran bei jedem Auf und Ab und Hin und Her. Eine ruckartige Steuerbewegung hätte genügt, um das dünne Kabel zu zerreißen. Ich hätte den Heckrotor und somit den Helikopter nicht mehr in der Gewalt gehabt. Und das beim Überflug über die Alpen! Ja, die Schutzengel Gottes waren wahrhaftig an Bord gewesen!

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